6 Fugendichtstoffe und Hinterfüllmaterialien

6.1 IVD- Qualitätsanforderungen der Dichtstoffe im Vergleich zur DIN 15651-1

Nach der harmonisierten europäischen Norm DIN EN 15651-1 und der DIN EN ISO 11600 werden Dichtstoffe für Fassadenelemente als Typ F (Baudichtstoffe) bezeichnet.
Damit gilt dieser Teil der DIN EN 15651 u.a. auch für die Anschluss- und Bewegungsfugen gemäß dem Geltungsbereich dieses Merkblattes.

6.1.1 Klassifizierung der Dichtstoffe nach DIN EN 15651-1

Nach DIN EN 15651-1 werden Dichtstoffe nach folgenden Klassen eingeteilt:
  • 25LM (LowModulus/niedriger Dehnspannungswert)
  • 25HM (HighModulus/hoher Dehnspannungswert)
  • 20LM
  • 20HM
  • 12,5E (Elastisch)
  • 12,5P (Plastisch)
  • 7,5P (Plastisch)
Die DIN EN 15651-1 stellt Mindestanforderungen an die jeweilige Dichtstoffqualität, um die Sicherheit der Fugenabdichtung zu gewährleisten.
Auf Grund langjähriger Erfahrungen in der Praxis in Bezug auf die vorhandenen Fugenkonstruktionen, Bautoleranzen, Belastungen auf die Fuge und Dichtstoffqualitäten sind die Qualitätsanforderungen des IVD in diesem Merkblatt an einzelne, allerdings wesentliche Eigenschaften höher als in der DIN EN 15651-1 verlangt.
Tabelle 2: Gegenüberstellung der Qualitätsanforderungen
Qualitätsmerkmal IVD DIN EN 15651-1
Klassifizierung der Bewegungsfugen im Außenbereich: 25LM
25HM
Zugelassen sind auch die Klassen 20LM, 20HM, 12,5E, 12,5P und 7,5P
Klassifizierung der Anschlussfugen im Außenbereich 20LM
20HM
Zugelassen sind auch die Klassen 12,5E,12,5P und 7,5
ZGV im Außenbereich für Bewegungsfugen 25 % 7,5 % bis 25 %
ZGV im Außenbereich für Anschlussfugen 20 % 7,5 % bis 25 %
Qualitätsanforderungen Anforderungen im
IVD-Merkblatt Nr. 27
Keine entsprechende Anforderung
Anstrichverträglichkeit Prüfung nach DIN 52452-4, A1 und A2 Keine Anforderung
Verträglichkeit mit anderen Baustoffen Prüfung nach DIN 52452-1 Keine Anforderung
Volumenschwund ≤ 10 %


≤ 25 % bei Acrylatdispersionen

 ≤ 10% (≤ 25% für Dispersion

sdichtstoffe) bei 25LM/HM und 20LM/HM

≤ 25% (≤ 30% für Dispersionsdichtstoffe bei 12,5E

≤ 25% bei 12,5P und 7,5P
≤ 45% bei bereits auf dem Europäischen Markt vertriebenen Produkten
Dauerhaftigkeit Siehe nachfolgende Erläuterungen Keine Aussage


Die Erfahrungen in der Praxis zeigen, das in Außenwandfugen eine hohe Belastung durch Dehn-/Stauchbewegungen gegeben ist. Das liegt neben den unterschiedlich großen Fassaden-/Wandelementen vor allem auch an den häufig zu schmal dimensionierten Fugen bzw. den Bautoleranzen.

Aus diesem Grunde sind die Qualitätsanforderungen des IVD für Bewegungsfugen im Außenbereich die Klassen 25LM und 25HM vorzuschreiben, d. h. eine Zulässige Gesamtverformung von 25 % festzulegen, von großer Wichtigkeit für eine langjährige Funktionstüchtigkeit der Fugenabdichtung.

Die Freigabe anderer Klassen und eine geringere ZGV führen zu hohen Risiken und Unsicherheiten beim Verarbeiter.

Bei Fugen im Innenbereich mit deutlich geringeren Temperaturdifferenzen können Dichtstoffe mit geringeren ZGV zum Einsatz kommen.

Ein erhöhter Volumenschwund bei nicht wässrigen Systemen, führt im Laufe der Zeit zu Verhärtungen, Reduzierung der ZGV und zur Gefahr von Flankenabrissen oder Kohäsionsschäden im Dichtstoff.

Die Kenntnis der Verträglichkeit mit anderen Baustoffen und die Verträglichkeit mit vorhandenen und/oder nachfolgenden Beschichtungs-systemen ist eine wesentliche Voraussetzung, um den richtigen Dichtstoff einsetzen zu können.

Der Vergleich der Qualitätsanforderungen zeigt die Notwendigkeit der höheren Qualitätsanforderungen des IVD gegenüber der DIN EN 15651-1.

Dauerhaftigkeit:
Die Dauerhaftigkeit einer Fugenabdichtung hängt entscheidend von der Qualität eines Dichtstoffes und seinen stofflichen und mechanischen Eigenschaften ab.
Ganz wesentlich dabei sind vor allem die elastischen Eigenschaften und die damit in Verbindung stehende Zulässige Gesamtverformung sowie eine sorgfältige Verarbeitung und vorschriftengerechte Fugenkonstruktion.
Der IVD empfiehlt aus diesem Grund bereits bei der Ausschreibung nur den Einsatz eines Dichtstoffes mit 25 % ZGV (für Bewegungsfugen) und 20 % ZGV (für Anschlussfugen) vorzusehen, da ein Dichtstoff mit einer geringeren ZGV häufig langfristig zu stark beansprucht wird und die Lebensdauer der Abdichtung ggf. stark verkürzt wird.
Unnötige Gebäudeschäden und Kosten sind die Folge.

6.2 Klassifizierung der Dichtstoffe

Die zu verwendenden Fugendichtstoffe müssen neben der zu erwartenden Beanspruchungsart die Anforderungen der Tabelle 2 erfüllen und in ihren Eigenschaften gut auf den Porenbeton und die anschließend aufzubringende Beschichtung abgestimmt sein.
Die Europäische Normung DIN EN 15651-1klassifiziert Dichtstoffe für Außenwand-elemente als Klasse F.
Eine weitere Klassifizierung erfolgt mit folgender Bezeichnung:
7,5 P 12,5 P 12,5 E 20 LM 20 HM 25 LM 25 HM

Zusätzliche Klassifizierungen sind: INT – EXT - CC


Erläuterungen:
Zahl Zulässige Gesamtverformung des Dichtstoffs
LM Low Modulus (= niedriger Dehnspannungswert)
HM High Modulus (= hoher Dehnspannungswert)
E Elastisch
P Plastisch
INT Interior (= nur für den Innenbereich)
EXT Exterior (= auch für den Außenbereich)
CC Cold climate (auch für kalte Klimazonen)
Tabelle 3


Beispiele:

F EXT-INT 25LM - Fassadendichtstoff, für den Innen und Außenbereich, Bewegungsaufnahme 25 %, niedriger Dehnspannungswert

F INT 12,5P - Fassadendichtstoff, nur für den Innenbereich, Bewegungsaufnahme 12,5 %, plastisch

Für den Einsatz an Porenbetonbauteilen sind niedermodulige Dichtstoffe der Klasse LM einzusetzen.

Die Dichtstoffauswahl erfolgt nach den Beanspruchungen, die sich aus den mechanischen und witterungsbedingten Einflüssen sowie den angrenzenden Baustoffen und Bauteilen ergeben.

Dichtstoffe verschiedener Rohstoffbasen können zum Einsatz kommen.



6.3 Auswahl der spritzbaren Dichtstoffe am Markt

Rohstoffsystem Zulässige Gesamtverformung (Bewegungsvermögen)
 
Silikon 12,5 bis 25 %
Polyurethan 12,5 bis 25 %
Hybrid-Polymer 20 bis 25 %
Acrylatdispersion 7,5 bis 25 %
Polysulfid 12,5 bis 25 %
Tabelle 4

6.4 Auswahl der spitzbaren Dichtstoffe für Porenbeton-Bauteile

Tabelle 5: geeignete Fugendichtstoffe für bewehrte Porenbeton-Wandplatten
Fugen-
arten
Dichtstoff
(Eigenschaft)
Dichtstoff
(Klassifizierung)

Bindemittel-
basis

Zulässige
Gesamtver-
formung
(ZGV) in %
Eignung für
(A) Kunststoffmörtel -

Acrylharz-
dispersionen

mit Faserzusätzen
0 Horizontal
Fugen von
liegend
angeordneten
Wandplatten
(B) plastisch

7,5 P
12,5 P

Acrylatdispersion 7,5 bis 12,5 Vertikalfugen
bei stehend
angeordneten
Wandplatten
(C) plastisch
elastisch
12,5 P
12,5 P
Acrylatdispersion 12,5 % Fugenarten
nach Kapitel
2.3 (C)
(D) elastisch 12,5 E
20 LM
25 LM
Acrylatdispersion
HybridPolymer
Polyurethan
12,5 bis 25 % Trennfugen
und
Anschlussfugen


6.5 Anforderungen an spritzbare Dichtstoffe für bewehrte Wandplatten

Auf folgende Anforderungen hin sind die einzusetzenden Produkte (Datenblatt, im Zweifel Hersteller fragen oder prüfen) je nach Belastungsgruppe/Anwendungsfall selbst zu prüfen:
  • Dehnspannungswert
  • Zulässige Gesamtverformung
  • Chemische und physikalische Verträglichkeit mit den angrenzenden Materialien
  • Haftverhalten und Beschaffenheit des Untergrundes, Notwendigkeit von Primern
  • UV- und Wetterbeständigkeit
  • Aushärtungs-/Durchtrocknungszeit
  • Überstreichbarkeit (evtl. Wartezeiten)
  • Anstrichverträglichkeit

  Eigenschaft des Dichtstoffs
Anforderung an Dichtstoffe Prüfung
  6.5.1 Zulässige Gesamtverformung (ZGV) Klassifizierung nach
IVD-Merkblatt Nr.2
  6.5.2 Dehnspannungswert DIN EN ISO 8339
  6.5.3 Regenfestigkeit von frisch verarbeitetem Dichtstoff DIN 52461
  6.5.4 Verträglichkeit mit angrenzenden Baustoffen DIN ISO 16938-2
  6.5.5 Anstrichverträglichkeit DIN 52452 Teil 4
Beanspruchung nach
A1 und A2;
  6.5.6 Überstreichbarkeit DIN 52452 Teil 4
Beanspruchung nach A3, Dehnung entsprechend der ZGV des Dichtstoffs
  6.5.7 Volumenschwund DIN EN ISO 10563
  6.5.8 Beständigkeit gegen Licht, Wärme und Feuchte DIN EN ISO 11431
Je nach Dichtstoff-system kann anstelle von Glas ein anderer Untergrund verwendet werden
  6.5.9 Baustoffklasse (normal entflammbar) Prüfung nach 4102-1 oder/und 13501-1
 
Wenn vom Auftraggeber gefordert, nach Rücksprache mit dem Dichtstoff-Hersteller
Tabelle 6

6.6 Begriffe

6.6.1 Elastischer Dichtstoff

Dichtstoff, der nach der Verarbeitung vorwiegend elastische Eigenschaften aufweist. d. h. er nimmt nach Veränderungen seiner Form durch Fugenbewegungen seine ursprüngliche Form vollständig oder überwiegend wieder an, wenn die Krafteinwirkung beendet ist (siehe Abbildungen 1 bis 4).

Abbildung 2
Stauchung

Abbildung 3
Dehnung

Abbildung 4
Schälung

Abbildung 5
Scherung


6.6.2 Plastischer Dichtstoff

Dichtstoff, der nach der Verarbeitung vorwiegend plastische Eigenschaften aufweist. Die durch Fugenbewegungen im Dichtstoff verursachten Spannungen werden durch dauerhafte Verformung sehr schnell abgebaut.
Die Verformung des Dichtstoffs geht nach einer Verformung nicht oder nur in geringem Maße zurück (siehe Abbildung 5).

Abbildung 6
Plastisches Verhalten


6.6.3 Zulässige Gesamtverformung

Unter der Zulässigen Gesamtverformung (ZGV) versteht man den Verformungsbereich (Gesamtheit von Dehnung, Stauchung, Scherung), innerhalb dessen ein spritzbarer Dichtstoff seine Funktionsfähigkeit beibehält.
In DIN EN ISO 11600 wird in diesem Zusammenhang von Bewegungsvermögen gesprochen.

6.7 Fugendimensionierung

Abbildung 7
Prinzipskizze zur Fugenbemessung


bF = Breite der Fuge
tA = Tiefe der Fase
bA = Breite der Fase
tF = Tiefe des Abdichtungssystems
bH = Breite der Haftfläche
tD = Tiefe des Dichtstoffs


6.8 Hinterfüllmaterial

Ein Hinterfüllmaterial dient zur Begrenzung der Fugentiefe bzw. zur Einstellung der korrekten Tiefe des Dichtstoffs, um die jeweils vorgeschriebene Fugendimensionierung zu erreichen.
Ferner soll es eine Dreiflächenhaftung des Dichtstoffs verhindern. Das Hinterfüllmaterial muss eine gleichmäßige, möglichst konvexe Begrenzung der Fugentiefe sicherstellen.
Es muss mit dem Dichtstoff verträglich und darf nicht Wasser saugend sein.
Es darf die Formänderung des Dichtstoffs nicht behindern und keine Stoffe enthalten, die das Haften des Dichtstoffs an den Fugenflanken beeinträchtigen können, z. B. Bitumen, Teer oder Öle.
Außerdem darf es keine Blasen hervorrufen und muss mindestens der Baustoffklasse B2 DIN 4102-1 entsprechen.
Das Hinterfüllmaterial darf beim Einbau nicht verletzt werden, z.B. durch scharfkantige Werkzeuge und muss in komprimiertem Zustand eingebaut werden, um ausreichenden Widerstand beim Einbringen und Glätten des Dichtstoffs sicher zu stellen.
Deshalb soll der Durchmesser um ein Viertel bis ein Drittel größer sein als die vorhandene Fugenbreite.
Als Material hat sich für die meisten Anwendungsgebiete von Dichtstoffen ein geschlossenzelliges, verrottungsfestes Rundprofil aus geschäumten Polyethylen bewährt.
Bei Fugen mit geringer Fugentiefe dürfen zur Verhinderung einer Dreiflächenhaftung Folien aus Polyethylen oder in Funktion und Verträglichkeit gleichwertiges Material eingesetzt werden.

6.9 Verarbeitung der Dichtstoffe

6.9.1 Verarbeitungsbedingungen

  • Beachtung der Umgebungstemperatur von +5°C bis +35°C
  • Beachtung der Objekttemperatur von min. +5°C
  • Bei feuchtigkeitshärtenden Dichtstoffen auf ausreichende Umgebungsfeuchtigkeit
  • Beachtung der Materialtemperatur von min. +5°C
Temperaturen und Luftfeuchtigkeiten beeinflussen die Aushärtung und die Materialeigenschaften und damit die Funktionstüchtigkeit der Abdichtung.

6.9.2 Oberflächen der Bauteile im Fugenbereich

Die Haftflächen müssen eben, sauber, trocken und fettfrei sowie fest und tragfähig sein. Sie müssen ferner frei sein von solchen Oberflächenbehandlungen wie z. B. PUR-Schaumresten, Anstrichen, Versiegelungen, Imprägnierungen, die das Haften und Aushärten beeinträchtigen. In Abhängigkeit vom Untergrund kann eine Reinigung der Haftflächen mit einem Reiniger erforderlich sein. Die Technischen Richtlinien des Herstellers sind zu beachten. Eingebrachter Mörtel zur Ausbesserung schadhafter Stellen im Abdichtungsbereich muss ausreichend trocken und tragfähig sein, eine weitgehend porenfreie Oberfläche haben und ausreichend fest am Untergrund haften. Solche Ausbesserungen dürfen das Haften nicht beeinträchtigen. Abdichtungsmaterial und Hilfsmittel müssen mit dem zu verfugenden Baustoff verträglich sein.

6.9.3 Reihenfolge der Arbeitsschritte

Nach dem Stand der Technik ist folgende Reihenfolge der Arbeitsschritte bei der Abdichtung mit spritzbaren Dichtstoffen zur Erzielung einer fachgerechten und optisch sauberen Fuge einzuhalten:
  • Reinigen der Haftflächen
  • Vorbehandeln der Haftflächen mit Primer, falls erforderlich
  • Hinterfüllen mit geschlossenzelliger Rundschnur
  • Die vom Hersteller vorgeschriebene Zeitspanne (Mindestablüftezeit) zwischen Auftragen des Primers und Einbringen des Fugendichtstoffs muss eingehalten werden. Ebenso ist die offene Zeit des Primers zu berücksichtigen, die angibt zu welchem Zeitpunkt der Dichtstoff spätestens aufgebracht werden muss.
  • Einbringen des Dichtstoffs
  • Abziehen/Glätten der Dichtstoffoberfläche
Tiefe Temperaturen und hohe Luftfeuchtigkeiten beeinflussen die Aushärtung und die Materialeigenschaften des Dichtstoffs und damit die Funktionstüchtigkeit der Abdichtung.

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